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Regionales Getreide im Delitzscher Land? – Teil 1

 

 

Klar, der Anbau von Hafer, Weizen und anderen Getreidearten, von Hülsenfrüchten und Ölsaaten ist in der Region gut möglich. Der Weg bis zu den Verbrauchenden in der Region ist aber manchmal steinig. Die geplante Lerchenbergmühle in Jesewitz kann hier neue Möglichkeiten für die regionale Direktvermarktung schaffen.

Von Jakob Grüner

 

Die Solidarischen Landwirtschaften in Taucha und Umgebung produzieren Gemüse für ihre Mitglieder in Taucha, in Leipzig und der Umgebung. Die Erntekisten, die jede Woche direkt von den Betrieben ausgeliefert und schon am nächsten Tag bei den eigenen Mitgliedern in der Küche landen, sind meist ausschließlich mit dem eigens produzierten Gemüse gefüllt. Wer sich konsequent regional ernähren will, kommt hier auf seine Kosten.

 

Im Winter und Frühling ist die Gemüseernte aber weniger vielfältig. Vor allem die beliebten Fruchtgemüsesorten, Tomaten, Auberginen und Paprika, die sich so gut in italienischen Gerichten machen, fallen dann weg. Das ist für die Verbrauchenden eine Herausforderung.

 

Wenn es mehrere Monate lang nur noch Kürbis, Kohl, Kartoffeln und Sellerie aus der eigenen Region gibt, ist es nicht mehr ganz so einfach sich regional zu ernähren, ohne dass man womöglich von den Kindern zu hören bekommt: „Schon wieder Kohl?!“

 

Lokales Getreide für eine attraktive regionale Ernährung

 

Um die Erntekisten also im Winter und Frühling attraktiver zu gestalten, hatte sich beispielsweise die Kooperative Landwirtschaft (KoLa) aus Taucha vorgenommen, Hafer anzubauen. Auf den eigenen Flächen sollten die Früchte angebaut, dann zu Flocken gequetscht, verpackt und an die Mitglieder geliefert werden.

 

In Kooperation mit dem benachbarten Landwirtschaftsbetrieb Saat-Gut Plaußig, der über den entsprechenden Maschinenpark verfügt, wurde der Hafer ausgesät. Schon früh begab man sich bei KoLa auf die Suche nach einer Mühle, die den Hafer verarbeiten würde. Denn es war bekannt: Wer vergleichsweise kleine Mengen produziert, der bekommt nur schwierig die Möglichkeit solch kleine Chargen in einer Mühle weiterzuverarbeiten. Aber warum ist das so?

 

Das Problem mit den Mengen

 

Verbrauchende sind bei Getreide und Getreideprodukten niedrige Preise gewöhnt. Daher müssen auch Bauern und Mühlen kostensparend und effizient produzieren, damit sich die Sache rechnet. Die Mühlen nehmen dementsprechend nur große Chargen an. Wer dort mit fünf Tonnen Hafer ankommt, dem wird gesagt: „Wir können Euren Hafer mit einer anderen Charge mischen und verarbeiten. Aber wir können Eure fünf Tonnen nicht separiert verarbeiten. Das würde den ganzen Betrieb aufhalten – oder mehr kosten.“

 

Wer seinen Mitgliedern also wirklich die eigenen, ökologisch angebauten, regionalen Haferflocken verkaufen möchte, der muss entweder einen sehr hohen Preis zahlen – oder hinnehmen, dass er nicht wirklich den eigenen Hafer zurückbekommt, sondern ein Gemisch aus verschiedenen Ernten aus dem ganzen Land (oder auch von weiter her).

 

Da selbst die fünf Tonnen Hafer für die KoLa-Mitglieder schon zu viel gewesen wären und man einen Teil der Ernte ohne Abnahmegarantie an den Handel hätte vertreiben müssen, war das Risiko zu groß – und man entschied sich dafür, den unverarbeiteten Hafer für eine kleine Marge weiterzuverkaufen. So landete der Tauchaer Hafer am Ende nicht in der Region, sondern wurde überregional weiter vertrieben.

 

Die neue Lerchenbergmühle in Liemehna

 

Solche und ähnliche Dilemma könnten sich schon bald lösen, denn es ist ein neues, regionales und biologisches Dienstleistungszentrum für Bio-LandwirtInnen samt Getreidemühle am Entstehen im Landkreis Nordsachsen.

Die vier AkteurInnen, die sich hier zusammengetan haben, bringen langjährige Erfahrungen aus den jeweiligen Bereichen mit: Bio-Landwirt Robert Künne vom Lerchenhof in Jesewitz betreibt seit über 10 Jahren ökologischen Getreideanbau. Daniel Fiskal ist Inhaber von Govinda-Catering, dem in Leipzig und Umgebung sehr aktiven vegan-vegetarischen Catering-Service. Dazu kommen die Geschwister Johanna und Gregor Tschiersch – beide sowohl familiär, als auch beruflich bereits in der vierten Generation mit einem fundierten Background in Müllerei und Mühlenbau.

 

In der Lerchenbergmühle sollen ab Herbst/Winter 2022 bekannte Getreidearten wie Dinkel oder Weizen verarbeitet werden. Aber auch Nischenprodukte wie Emmer, Einkorn und Gelbweizen oder, für die pflanzliche Proteingewinnung, Kichererbsen und Ackerbohnen werden auf Roberts Hof angebaut und sollen zukünftig direkt nebenan in der Mühle vermahlen werden. Die Jahresproduktion ist zunächst erst einmal auf 1.500 – 2.000 Tonnen ausgelegt, was in etwa der Tagesproduktion der aktuell größten Industriemühle Deutschlands entspricht.

 

In Verbindung mit Roberts kleiner hofeigenen Bäckerei sowie dem Mühlenladen der Lerchenbergmühle können die erzeugten Produkte anschließend direkt vermarktet werden. Im Mühlenladen soll es zukünftig nicht „nur“ Mehl und Gries geben, geplant ist eine Art Tante Emma-Laden mit einem vielfältigen Angebot, aber eben ausschließlich aus regionalen Produkten.

 

Zur Auslastung der Mühle soll Getreide auch im Lohn für andere Bio-ErzeugerInnen der Region gemahlen und gereinigt werden.

 

Dadurch werden die aktuellen Wege innerhalb des Bio-Getreideanbaus in unserer Region wesentlich gekürzt, die regionale Wertschöpfung insgesamt wird gesteigert und es ergeben sich Möglichkeiten, Vertriebskooperationen aufzubauen und so Direktvermarktungsinitiativen zu starten und zu stärken.

 

Mischkulturen für mehr Artenvielfalt und Humusaufbau

 

Ein weiteres Highlight der geplanten Anlage ist eine integrierte Farbsortierung im geplanten Dienstleistungszentrum. Damit ist es möglich Beikräuter und Hauptfrucht, was im biologischen Anbau immer vorkommen kann, oder auch per se 2 verschiedene Fruchtarten vor dem Mahlprozess zuverlässig zu trennen.

 

So ergeben sich auch ackerbaulich neue Möglichkeiten, da eine Separierung von sehr unterschiedlichen Korngrößen innerhalb einer Charge möglich ist. Das vereinfacht den Anbau von „Mischkulturen“ für die ErzeugerInnen ungemein. Dabei wird nicht nur eine Getreide-, Leguminosen- oder Ölsaat in Reinkultur angebaut, sondern es können mehrere Kulturen mit ähnlichem Erntezeitpunkt auf einem Acker wachsen.

Die 4 zukünftigen LerchenbergmüllerInnen haben die Hoffnung, dadurch etwas mehr Diversität sowohl auf die hiesigen Ackerflächen, als auch in ihr Portfolio zu bringen, da die geplante Reinigung auch für feinteilige Produkttrennungen funktionieren wird und den zukünftigen KundInnen der Mühle somit mehr Kombinationsmöglichkeiten innerhalb ihres Anbau offen stehen.

 

Beispiele für solche Mischkulturen sind der gleichzeitige Anbau von Leindotter und Hafer oder Erbsen und Triticale. Dadurch können Synergieeffekte genutzt und die Artenvielfalt gesteigert werden. Besonders interessant ist das für Betriebe die auf eine tiefe, wendende Bodenbearbeitung verzichten wollen. Das fördert wiederum den Humusaufbau, wodurch sich die Bodenstruktur verbessert und mehr Kohlenstoffdioxid im Boden gebunden werden kann.

 

[Wer Fragen oder Anregungen zum geplanten Projekt hat, kann sich gern bei Robert und Johanna melden – sie freuen sich über regen Austausch:

Johanna.Tschiersch[a-h…d]lerchenbergmuehle.de

Robert.Kuenne[a-h…d]lerchenbergmuehle.de]

 

Das Förderlogo zeigt eine Europa-Flagge, sowie die Buchstaben EPLR und das Logo des Förderprogramms LEADER.

Ziel ist es die lokale, gemeinschaftliche Grundversorgung, ökologisches Bewusstsein und die Partizipation an Produktionsprozessen zu fördern und somit langfristig in der Region Delitzscher Land zu verwurzeln.